Eine Chance für Adi
Ein Laborhund im Kampf gegen Haushaltsmonster
Wer sich für einen Laborbeagle entscheidet, muss sich darauf einstellen, die fehlende Sozialisation komplett nachholen zu müssen. Das lohnt sich jedoch, wie das Beispiel der Hündin Adelaide, kurz Adi, beweist. Sie ist inzwischen ein voll integriertes Familienmitglied und ein ganz normaler" Beagle.
Die Familie Laumann hatte bereits Beagle-Erfahrung. Ihr Rüde Sam, ebenfalls ein Laborhund, kam zusammen mit seiner Tochter Kira in die Familie. Sam war jedoch in dem einen Jahr als Familienhund niemals richtig gesund und munter. Epilepsien, Ekzeme, Herz-und Verdauungsprobleme machten ihn zu einem ständigen Sorgenkind. Eines Tages brach er auf dem Spaziergang zusammen und starb. Sam wurde nur sechs Jahre alt. Übrig blieb seine Tochter Kira. Und als Laumanns nach entsprechender Trauerzeit beschlossen, ihr wieder einen Partner zuzugesellen, stand fest es wird wieder ein Laborbeagle sein. Im Tierheim wurden sie bald fündig: Die zierliche, dreijährige Hündin, die sich ängstlich in einer Ecke versteckte, sollte eine Chance bekommen. Beim Ausfertigen des Vertrages mussten die neuen Besitzer sich verpflichten, die Hündin sterilisieren zu lassen und auf Nachzucht zu verzichten. Das ist beim Erwerb eines Laborbeagles Standard.
Schöne Bescherung!
Die Erfahrung, aus dem Zwinger herausgenommen und liebevoll auf dem Arm getragen zu werden, quittierte die verängstigte Hündin zuerst einmal mit einer Ladung Durchfall. Das ging auf der Heimfahrt so weiter: Zu Hause angekommen, waren das zitternde Etwas und sein gesamtes Umfeld voller Kot und Erbrochenem. Ratsam wäre, eine solche Übernahme sorgfältiger vorzubereiten: Statt einer spontanen Mitnahme sollte der Kontakt bereits einige Zeit vorher aufgebaut werden, damit der Hund sich schon ein bisschen an die neuen Besitzer gewöhnen kann. Außerdem ist es sinnvoll, mit dem Tierheimpersonal einen genauen Abholtermin zu vereinbaren, um diesen für Mensch und Tier so stressfrei wie möglich zu gestalten. Das ermöglicht den Pflegern auch, den betreffenden Hund vorher von der Fütterung auszuschließen, um ihm starkes Erbrechen und Koten auf der Heimreise zu ersparen. Auch empfiehlt es sich in vielen Fällen, eine Transportbox zu verwenden, da Laborhunde den ungewohnten menschlichen Körperkontakt anfangs nicht unbedingt beruhigend finden.
Im neuen Heim
Zu Hause half die bereits familienerfahrene Kira dem Ankömmling, den ersten Kulturschock" einigermaßen zu überwinden. Sicher war die kleine Adelaide froh, dort ihresgleichen zu treffen, denn Laborbeagle kennen ja nur ihre eigene Art andere Rassen sind ihnen fremd. Ein Körbchen war bereits für sie vorbereitet worden, als sie es jedoch ausprobieren wollte, verschob es sich, oh Schreck, ein wenig auf den Küchenfliesen. Hier musste erst eine rutschfeste Unterlage Abhilfe schaffen, damit Adelaide sich wieder hineintrauen konnte. Von diesem sicheren Platz aus beobachtete sie während der ersten Zeit das häusliche Geschehen. Man sollte nicht den Fehler machen, einem Laborbeagle, der nur unter seinesgleichen auf engstem Raum gehalten wurde, mit zu vielen neuen Eindrücken zu überfordern. Statt ihm wohlmeinend das ganze Haus und den Garten zu zeigen, ist es besser, ihn während der ersten Zeit in einem begrenzten Umfeld zur Ruhe kommen zu lassen. Geeignet ist ein etwas abgeschiedener Platz, von dem aus der Hund die üblichen Abläufe beobachten kann." So die Erfahrungen von Frau Laumann. Auch von zu viel Ansprache und Streicheleinheiten waren ihre Beagle anfangs gar nicht angetan. Das Wichtigste, was diese Hunde zuerst mal brauchten, ist Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe."
Die Haushaltsmonster und andere Schrecken
Tagelang versteckte Adelaide sich hinter einem Zeitungskorb. Die erste Kontaktaufnahme geschah ganz allmählich, als sich die Tochter Alena scheinbar ohne Adelaide zu beachten mitten im Zimmer auf den Boden setzte und so tat, als sei sie mit sich selbst beschäftigt. Nun doch neugierig geworden, traute sich die kleine Beagledame nach und nach aus ihrem Winkel hervor. Da sie manchmal vor lauter Angst unter sich machte, war die Küchenrolle stets griffbereit.
Wohlweislich hatte die Familie sich zwei Wochen Urlaub genommen. So begann als erste Maßnahme eine zeitaufwendige Sozialisation auf die Haushaltsmonster": Staubsauger, Mixer, Toaster all das waren die reinsten Höllenmaschinen für Adelaide. Selbst das Klappern der Besteckschublade reichte ihr, um mit eingeklemmter Rute in ihr Versteck zu verschwinden. So kam in den ersten Tagen nur ein Flusentuch statt des Staubsaugers zum Einsatz und der altgediente Handrührbesen ersetzte den Mixer. Alle Elektrogeräte wurden zunächst nur in einem Nebenzimmer eingeschaltet, sodass Adelaide sich erst mal auf Distanz an die Geräusche gewöhnen konnte.
Pipi und Kot setzte sie nur auf den Fliesen der Terrasse ab ein ihr bekannter Untergrund. Der Versuch, sie zu diesem Zweck in den Garten zu bringen, scheiterte. Gras? Bäume? Vögel? Nein, an so einem unsicheren Ort konnte Adelaide sich unmöglich lösen!
Weit entfernt vom Gassi gehen
Ebenso sorgsam musste sie an viele ganz alltägliche Dinge gewöhnt werden. Da sie auch Angst vor Tüchern und Decken hatte, begann man nachdem sie kein Problem mit menschlichen Berührungen mehr hatte sie mit einem winzig kleinen Tuch und dann mit immer größeren Tüchern am ganzen Körper zu streicheln. So konnte sie immer mehr lernen, ihre Ängste zu überwinden. Solche Übungen fanden zunächst nur im Haus und später auch im Garten statt. Auch hier musste Adelaide an alles Gras, Pfützen, flatternde Wäsche, Nachbars Katze sorgfältig gewöhnt werden. Erst dann konnte man mit ihr erste winzige Spaziergänge unternehmen. Hier mussten wieder neue Eindrücke verarbeitet werden: Autos, Bäume, fremde Menschen und Tiere, die wie Hunde rochen, aber nicht wie Beagle aussahen.
Neubeginn und Abschied
Nach sechs Monaten meldeten sich Mutter und Tochter bei mir: Adelaide sei jetzt soweit vorbereitet und sie alle zu weiteren Taten bereit. Alles, was wir bereits Sam und Kira beigebracht hatten, sollte Adelaide nun auch lernen: Mobility, Dogdance, Apportieren und vieles mehr. Ein schöner Neubeginn für die ehemalige Laborhündin, der allerdings von einem traurigen Ereignis überschattet wurde: Kira hatte plötzlich tot in der Wohnung gelegen. Ein Schock für die ganze Familie, denn sie war ein fröhlicher und scheinbar gesunder Hund. Auch sie wurde nur sechs Jahre alt.
Überraschungen nicht ausgeschlossen
Adelaide lernte viel in den folgenden Tagen. Inzwischen kann sie gut an der Leine gehen und überall mit hingenommen werden. Sie kann auch einige Kunststücke und sehr gut apportieren. All dieses führte sie auch artig vor, während ich die Aufnahmen für diesen Artikel machte bis sie plötzlich unvermittelt das Aporti fallen ließ und in flottem Tempo, ohne sich um die Rufe zu kümmern, den Tatort verließ. Als die beiden Frauen Adelaide eingeholt und angeleint hatten, sagten sie lachend: Mit solchen Überraschungen muss man bei einem Beagle schon mal rechnen. Wer damit nicht leben kann, sollte sich lieber für eine andere Hunderasse entscheiden."
Laborbeagle
Jährlich dürfen viele Beagle die Versuchslabore verlassen und können von Privatleuten erworben werden. Es handelt sich dabei um Jungtiere bis zu drei Jahren allesamt gut genährt, geimpft und gekennzeichnet. Warum diese Hunde von den Laboren freigegeben werden, ob und welche Versuche an ihnen vorgenommen wurden, ist unbekannt. Sicher ist aber, dass diese Tiere keine normale Sozialisation erlebt haben. Unter ihresgleichen ausschließlich im Zwinger gehalten, kennen sie menschlichen Kontakt vermutlich nur durch die Fütterung und das Reinigen der Gehege oder wenn sie zu Versuchszwecken herangezogen werden. Informationen über Laborbeagle und Vermittlungsstellen gibt es auch im Internet, z. B. bei www.laborbeagle.de und http://beagle.mediennetz-nrw.de
Mit freundlicher Genehmigung von Barbara Neuber,
Hundetrainerin und Verhaltensberaterin,
www.hunde-logisch.de